Klein Matterhorn, Zermatt VS (© M. Volken)

Solaranlagen sichtbar machen: Alpine Agri- und Tourivoltaik

Die Nicht-Sichtbarkeit alpiner Photovoltaik-Freianlagen wird noch immer bevorzugt – zu Unrecht, wenn wir einen Blick auf Effizienz, Biodiversität und Psychologie werfen. So werden geschickte Kombinationen touristisch und alpwirtschaftlich genutzter Flächen zum integrativen Bestandteil einer neuen alpinen Kulturlandschaft.

Wer kennt ihn nicht: den beissenden Kohlgeruch der weiten gelben Rapsfelder, welche manche Postkarte zieren? In Deutschland werden für die Produktion von pflanzlichem Treibstoff Monokulturen aus Raps und Mais angebaut. Sie sind auf Kunstdünger und Pestizide angewiesen und machen fast einen Sechstel der landwirtschaftlich genutzten Fläche aus, decken aber nicht einmal einen Hundertstel von Deutschlands Energiebedarf.

Widersinnige Flächenintensität und -konkurrenz

Diese Energieproduktionsflächen stehen in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und zum Freizeitraum – bilden doch meist siedlungsnahe Landwirtschaftsflächen die nächsten und meist genutzten Erholungszonen in den Agglomerationen, wo die Mehrheit der Bevölkerung lebt. In diesen Monokulturen von Mais und Raps, aber auch von Zuckerrüben – als subventionsbedingtes Überbleibsel der einstigen Anbauschlacht im Zweiten Weltkrieg – kommt die Biodiversität unter die Räder. Wieviel schöner und wie erholsamer wäre es doch, würden diversere, kleinteiligere Anbauflächen meinen täglichen Spazier- und Joggingweg säumen.


Der Stern der Energiepflanzen ist daher zu Recht im Sinken begriffen. Zahlreiche europäische Länder verzichten gänzlich darauf. In der Schweiz hat man gar nicht damit begonnen. Doch setzt man weiterhin auf die Verbrennung von Biomasse, insbesondere von Holz – einem viel zu wertvollen Baustoff. Inzwischen verbrennt man europaweit davon mehr, als nachwächst. Die energetische Nutzung von Biomasse macht daher nur in ganz bestimmten Nischen Sinn, sei es bei der Methannutzung von Hofdünger und Kompost, sei es bei der Pyrolyse von Rest- und Abfallholz.

Effizienz der Photovoltaik

Im Vergleich zu den Energiepflanzen liegt die Produktionseffizienz von Photovoltaik um den Faktor 10 bis 30 höher.Da Elektromotoren im Vergleich zu Verbrennern sowie Wärmepumpen im Vergleich zu reinen Öl-, Gas- und Holzheizungen nochmals deutlich besser abschneiden, erhöht sich die Effizienz nutzungsseitig um das Doppelte bis Vierfache, so dass man im Endeffekt pro genutzten Quadratmeter 40 bis 120 Mal weiter fährt und 40 bis 120 Mal mehr Wärme (oder Kälte im Sommer) erzeugen kann. Die Herstellung eines Photovoltaikpanels und dessen Installation samt Wechselrichter und möglicher Entsorgung nach dreissig Jahren benötigen zwei bis drei Jahre Sonnenenergie aus demselben Panel. Die graue Energie der Photovoltaik ist inzwischen sehr überschaubar. Und dies ganz im Unterschied zu den Energiepflanzen, welche alljährlich fossile Düngemittel und Pestizide benötigen und damit dem Boden, dem Klima wie der Biodiversität zusetzen.

Mögliche Biodiversitäts- und Produktionssteigerung

Studien belegen inzwischen eindrücklich, dass die Biodiversität in PV-Freiflächenanlagen im Ver­gleich zum Umland erhöht werden können. Zudem steigert sich bei bestimmten Nutzpflanzen wie Gemüsen und Beeren in der Agrivoltaik, also in der gezielten Kombination von Landwirtschafts- und Energieproduktion, ebenfalls die Produktion dank partiellen Verschattungen. Dasselbe kann auch für Alpweiden und für andere Landwirtschaftsflächen im Berggebiet gelten: Durch sanfte Gelände­coupierungen, um die immer häufiger werdenden Starkniederschläge vor Ort zurück zu halten und langsam versickern zu lassen – wie das seit Jahrtausenden in mediterranen Gebieten gemacht wird –, und durch die Beschattung lassen sich insbesondere an Südhängen, auf denen Solarpanels installiert werden, der Schnee und die Feuchtigkeit für längere Wachstumsphasen und für die Biodiversität der Flora nutzen. Die Weidetiere wie Rinder, Ziegen, Schafe, Yaks und Lamas schätzen den Schatten in der Sommerzeit ebenso. Ein allfälliger Nutzungskonflikt betrifft dann in erster Linie die Frage, wie stark die Beweidung ausfallen soll. Unter Umständen könnte regelmässiges Mob Grazing die Humusschicht erhöhen und das Land zusätzlich als Kohlenstoff­speicher dienen.

Bisherige Nicht-Sichtbarkeit von alpinen PV-Anlagen

Das neue eidgenössische Energiegesetz hält fest, dass die Mindestgrösse einer alpinen PV-Freiflächenanlage bei einer jährlichen Energiemenge von 10 Gigawattstunden zu liegen habe. Das entspricht ungefähr dem ersten konkreten alpinen PV-Freiflächenprojekt in Gondo am Simplon. Die Maximalgrösse wiederum liegt bei 2'000 Gigawattstunden. Diese Energiemenge könnte ein relativ gut genutzter Südhang des Saflischtals im Oberwalliser Grengiols jährlich liefern. Die Gesetzgebung stützt sich somit auf konkrete Projekte, welche in beiden Fällen vom Tal aus nicht sichtbar sind. Das Paradigma der Nicht-Sichtbarkeit scheint also eher dem Zufall zweier konkreter Projekte geschuldet zu sein als einem neuen Narrativ, das mit allen hier aufgeführten Punkten argumentiert.

Reduzierte Kosten, reduzierte Eingriffe mit sichtbaren Anlagen

Derselbe Zusatzartikel 71a weist noch weitere Kennzahlen auf. So sind auf ein Kilowatt Leistung 500 Kilowattstunden im Winterhalbjahr zu produzieren. Entscheidend ist weder die Abgeschiedenheit, noch die Nicht-Sichtbarkeit der Anlagen, sondern eine relativ grosse Nebelfreiheit, starke Sonneneinstrahlung und Schnee. Diese Faktoren garantieren im Unterschied zum Mittelland, wo die Energieproduktion über den Winter massiv reduziert ist, die vorgeschriebene Energiemenge. Auch wenn im meist nebelfreien Tal oder auf vielleicht nicht optimal nach Süden ausgerichteten Skipisten und Alpweiden die Produktion leicht geringer ausfällt, können der Gestehungspreis pro Kilowattstunde und der Eingriff in intakte Naturräume deutlich reduziert werden, weil die Erschliessung weitgehend entfällt und die Anlagen näher oder direkt an bereits bestehende Anschlussleitungen gebaut werden können.

Eine neue Generation ist im Anmarsch

Die Klimafrage steht inzwischen zuoberst auf dem Sorgenbarometer selbst bei einer saturierten Schweizer Bevölkerung. Dabei ist der eigentliche Gap zwischen einer älteren und einer jüngeren Generation zu beobachten: Während über 50-Jährige im Schnitt noch immer relativ gelassen und zuversichtlich auf die Klimafrage reagieren, sehen sich Jüngere – und insbesondere Kinder und Jugendliche – um ihre Zukunft beraubt und fühlen sich von ihrer Regierung verraten. Bemerkens­werterweise beunruhigt sie weniger die immer häufiger eingehenden Katastrophenmeldungen als vielmehr die untätige Politik und Wirtschaft.


Die im Anmarsch begriffene neue Generation würden die Präsenz und Sichtbarkeit der Anlagen, welche die bisherige fossile Energieproduktion ersetzen, erleichtern. Sie ist inzwischen kritisch gegenüber einer leeren Landschaft eingestellt, weil sie weiss, dass die Illusion der Wildnis in den Alpen ihren Preis anderswo hat und Kosten nur externalisiert werden. Denn die Untätigkeit hier zerstört nicht nur die eigene Landschaft in Form von ausgetrockneten Wäldern, Erbraunen der Vegetation, klimabedingtem Biodiversitätsverlust, schwindenden Gletschern, Erdrutschen, Bergstürzen und Überschwemmungen, sondern auch die Lebengrundlage ihrer Zeitgenossen in benachteiligten Weltgegenden: Überschwemmungen in Pakistan und Bangladesch, Tropenstürme auf den Philippinen, Versalzung der Seen in der Sahelzone, Hitzewellen in Indien und Irak.

Lösen wir den gordischen Knoten

Wird nun die Lösung der Klimakrise im Alltag in einer höchst effizienten Infrastruktur sichtbar, welche das Bad nicht mit dem Kinde, der Biodiversität, ausschüttet, können wir wieder Hoffnung schöpfen, dass sich das Klimaproblem abmildern lässt. Sie wird sichtbar in klugen Kombinationen – in alpinen Landwirtschafts- und Tourismuszonen in Form von Agrivoltaik und Tourivoltaik. Und selbst den beissenden Kohlgeruch der gelben Rapsfelder und die Öde von Monokulturen in der Ebene müssen wir nicht mehr einfach hinnehmen. Denn zumindest die Eiweissversorgung des Menschen könnte im Solarfood liegen.

Hier hält das deutsche Bundesinformationszentrum den aktualisierten Stand des Anteils von Energiepflanzen wie Mais und Raps fest. Er liegt bei 16 Prozent.


Eine neue Studie aus Indien, welche die bisherige Regierungsstrategie von Energiepflanzen überprüft, kommt zum Ergebnis, dass nicht nur der früher erwartete positive Effekt auf das Klima wegen Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion und wegen Intensivierung der Landnutzung ausfällt, sondern dass diese Art von Energieproduktion und -nutzung im Vergleich zur Photovoltaik höchst ineffizient ist. Sogar die beste Energiepflanze der Tropen, das Zuckerrohr, schneidet in einer Vollverwertung 32 Mal schlechter als die Photovoltaik ab.


Der deutsche Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) verweist auf die erhöhte Biodiversität in Solarparks bereits 2021.


Das alljährlich verfasste Schweizer Sorgenbarometer der CS hält 2022 fest, dass die Sorge um Umwelt und Klima bei der Schweizer Bevölkerung bei 39 Prozent der Befragten liegt und damit den höchsten Wert im Vergleich zu weiteren Fragen wie Altersvorsorge, Energiesicherheit usw. aufweist.

Eine internationale Studie zu Klimaangst bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommt zum Ergebnis, dass zum einen stärker Betroffene in Weltgegenden vor allem in den Entwicklungsländern deutlich stärker darunter leiden und zum anderen das Gefühl von Verrat («betrayal») sehr verbreitet ist. In allen Ländern waren die Befragten über den Klimawandel besorgt: 59 Prozent waren sehr oder äusserst besorgt und 84 Prozent waren zumindest mässig besorgt. Mehr als 50 Prozent berichteten von den folgenden Gefühlen: traurig, ängstlich, wütend, machtlos, hilflos und schuldig. Mehr als 45 Prozent der Befragten gaben an, dass sich ihre Gefühle bezüglich des Klimawandels negativ auf ihr tägliches Leben und ihr Funktionieren auswirken, und viele berichteten von einer hohen Anzahl negativer Gedanken über den Klimawandel: So gaben 75 Prozent an, dass sie die Zukunft für beängstigend halten, und 83 Prozent sagten, dass sie denken, dass die Menschen versagt haben, sich um den Planeten zu kümmern. Die Befragten bewerteten die Reaktionen der Regierungen auf den Klimawandel negativ und berichteten von einem grösseren Gefühl des Verrats als demjenigen der Beruhigung. Klimaangst korrelierte direkt mit der wahrgenommenen unzureichenden Reaktion der Regierung und den damit verbundenen Gefühlen des Verrats. Hickman et al. (2021): Climate anxiety in children and young people and their beliefs about government responses to climate change: a global survey.