Skigebiete technisch beschneien: Wie viel Wasser werden wir in Zukunft dafür brauchen?
Lässt sich überhaupt genügend Schnee produzieren, um auch am Ende des 21. Jahrhunderts noch Ski zu fahren? Und wie viel Wasser würde dafür gebraucht? Eine detaillierte Fallstudie für das Skigebiet Andermatt+Sedrun+Disentis zeigt mögliche Szenarien auf.
Für Kunstschnee werden grosse Mengen an Wasser gebraucht. Es wird geschätzt, dass die technische Beschneiung in typischen Winterdestinationen bereits heute bis zu einem Drittel des jährlichen Wasserverbrauchs ausmacht. Dieser Wasserverbrauch wird mit der fortschreitenden Erderwärmung weiter zunehmen. Doch bei zu hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit versagt die technische Beschneiung, und die Schneesicherheit kann über die nächsten Jahrzehnte nicht in allen Skigebieten gewährleistet werden. Das Skigebiet Andermatt+Sedrun+Disentis wurde 2015 um 68 ha Pistenfläche erweitert, um eine Verbindung zwischen Andermatt und Sedrun zu schaffen (siehe auch Infobox). Das Skigebiet umfasst heute insgesamt ungefähr 270 ha Pisten zwischen 1444 und 2961 m ü. M. Gleichzeitig wurde die bestehende Infrastruktur zur Beschneiung stark ausgebaut und erneuert. Der Grossteil des Wassers für die neuen Beschneiungsanlagen stammt aus dem bestehenden Oberalp-Stausee, aus dem jährlich maximal 200'000 m3 Wasser entnommen werden dürfen. Angesichts der steigenden Temperaturen und des voraussichtlich erhöhten Bedarfs an Kunstschnee besteht die Option, einen zusätzlichen Stausee (50’000 m3) zu bauen und Grundwasser in Andermatt zu nutzen.
Die Zukunft simulieren – SkiSim 2.0
Der zeitliche Planungshorizont vieler Skigebiete beschränkt sich oft nur auf wenige Jahrzehnte. Mit dem Modell SkiSim 2.0 lässt sich die Frage beantworten, ob zukünftig überhaupt genug Schnee produziert werden kann, um während des gesamten 21. Jahrhunderts noch Ski fahren zu können, und wie viel Wasser dafür aufgewendet werden müsste. Basierend auf den Klimaszenarien für die Schweiz (CH2018) wird simuliert, wie viel technischer Schnee zusätzlich zum natürlichen Schnee produziert werden kann. Verglichen werden dabei zwei mögliche Klimaszenarien: Das Szenario RCP4.5 geht von einer Stabilisierung der Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre bis Mitte des 21. Jahrhunderts aus; RCP8.5 nimmt ein «business as usual» an, mit uneingeschränktem Anstieg der Treibhausgasemissionen. Da zum Skifahren mindestens 30 cm Schnee benötigt werden, lässt sich aus der täglichen Schneemenge auch die Dauer der Skisaison bestimmen, mit oder ohne Kunstschnee. In der Regel wird zwischen November und Januar eine Grundbeschneiung vorgenommen, die bis zum Saisonende ausreichen soll, unabhängig davon, ob es ein «guter» oder ein «schlechter» Winter ist, da dies zu Beginn der Saison noch nicht bekannt ist.
Schneesicherheit im 21. Jahrhundert
Ein Skigebiet gilt generell als schneesicher, wenn die Saison mindestens 100 Tage lang ist. Skigebiete können einzelne schlechte Jahre verkraften, deshalb muss diese Regel in 70 % der Winter erfüllt werden. Wirtschaftlich gesehen ist die Befahrbarkeit der Pisten über die Weihnachts- und Neujahrstage ein zentraler Faktor: Während der Weihnachtsferien kann bis zu einem Viertel der Einnahmen eines Skigebiets erzielt werden.
Dank der Mittelstationen können die höher gelegenen Pisten des SkigebietsAndermatt+Sedrun+Disentis erreicht und befahren werden, wenn unterhalb von 1800–2000 m ü. M. nicht genügend Schnee liegt. In beiden Szenarien zeigen die Modellrechnungen, dass eine Saisonlänge von mindestens 100 Tagen oberhalb der Mittelstationen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts möglich ist. Im Grossteil des Skigebiets wird dies auch unterhalb der kritischen Höhe der Fall sein. Nur im Teilgebiet Sedrun (Kanton Graubünden) werden die 100 Tage im «business as usual»-Szenario in 36 % der Winter nicht erreicht, wenn die globalen Treibausgasemissionen nicht eingedämmt werden. Gleichwohl kann die generelle Schneesicherheit des Skigebiets als hoch eingestuft werden.
Etwas schlechter sieht es jedoch über die Weihnachts- und Neujahrstage aus. Mithilfe der technischen Beschneiung kann zwar oberhalb der Mittelstationen auch während der Weihnachtsferien Ski gefahren werden. Allerdings nicht im Teilgebiet Sedrun, wo der Schnee am Ende des Jahrhunderts trotz Beschneiung nur in 56 % der Winter ausreichen wird, wenn die Treibhausgas-Emissionen nicht reduziert werden («business as usual»-Szenario). Können die Treibhausgas-Konzentrationen hingegen bis Mitte des 21. Jahrhunderts reduziert werden (Stabilisierungs-Szenario), bleibt das gesamte Skigebiet sogar unterhalb der Mittelstationen schneesicher, auch über die Weihnachtsferien.
Wasserverbrauch für technische Beschneiung
Mit dem heutigen Ausbaustandard der Beschneiungsanlagen hätte die für Kunstschnee verwendete Wassermenge in den Jahren 1981 bis 2010 rund 310'000 m3 Wasser pro Saison betragen (theoretische Berechnung). Mit einer Reduktion der Treibhausgas-Emissionen (Stabilisierungs-Szenario) würde diese Wassermenge bis Mitte des Jahrhunderts um 9 % ansteigen, bis zum Ende des Jahrhunderts um 16 %. Im «business as usual»-Szenario würde der Wasserverbrauch für die Beschneiung bis Mitte Jahrhundert um 23 % und bis Ende Jahrhundert um 79 % ansteigen. Diese zusätzliche Wassermenge entspricht etwa dem Verbrauch von 900 Vierpersonenhaushalten pro Jahr, und die heutige Wasserversorgung müsste um einen neuen Stausee erweitert werden. Der Wasserverbrauch steigt vor allem bei der Beschneiung tiefer gelegener Pisten mit höheren Temperaturen überproportional stark an. Würden die Pisten unterhalb der Mittelstationen allerdings komplett geschlossen und nicht mehr beschneit werden, könnte der totale Wasserverbrauch am Ende des Jahrhunderts sogar mit weiter ansteigenden Treibhausgas-Konzentrationen auf dem heutigen Niveau gehalten werden. Das Skigebiet hat es somit in der Hand, wie zukünftig mit der Ressource Wasser umgegangen wird. Die Betreiber bestimmen, ob künftig weitere Eingriffe in Natur und Landschaft wie der Bau eines neuen Stausees oder die Grundwassernutzung nötig werden.
Konkurrenz um Wasser?
Da Schnee im Frühjahr schmilzt, ist das zur Beschneiung verwendete Wasser nicht verloren. Allerdings erfolgt die Wasserentnahme für die Beschneiung zu einem Zeitpunkt, wo die Wasserpegel tief sind und gesetzlich vorgeschriebene Restwassermengen in Flüssen eingehalten werden müssen. Wasserknappheit ist darum vermehrt in trockeneren Gebieten zu erwarten, zum Beispiel in den inneralpinen Tälern im Wallis und Engadin. Doch auch im wasserreichen Urserntal in der Zentralschweiz müssen zukünftige Ansprüche auf Wasser von allen Akteuren frühzeitig erkannt werden. Im Rahmen des Ausbaus der Tourismusdestination Andermatt wurden zahlreiche Hotelbetriebe, Chalets, ein Hallenbad mit Spa-Bereich und ein Golfplatz gebaut – damit wird auch der Wasserbedarf auf Gemeindeebene ansteigen. Ausserdem will die Region zukünftig vermehrt auf erneuerbare Energien mit Wind- und Wasserkraft setzen. Nur mit gemeinschaftlich und frühzeitig erarbeiteten Wassernutzungsplänen auf Ebene des Einzugsgebietes kann die Wasserversorgung für alle auch in Zukunft sichergestellt werden.