Hitzestress und Ernteausfälle – rechtliche Anpassungen der Landwirtschaft an den Klimawandel
Die Landwirtschaft ist eine erhebliche Verursacherin von Treibhausgasen. Gleichzeitig ist sie stark von den Klimafolgen betroffen, besonders im Alpenraum. Ihr Reduktionspotenzial muss deshalb genutzt werden, um das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen. Doch fehlt es in der Schweiz an griffigen rechtlichen Grundlagen.
Landwirtschaft im Lichte des Klimawandels
Mit dem Abkommen von Paris haben sich eine Vielzahl von Staaten – darunter auch die Schweiz – darauf geeinigt, die globale Erwärmung deutlich unter 2°C und wenn möglich auf 1,5°C zu beschränken. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die weltweiten CO2-Emissionen bis spätestens 2050 Netto-Null betragen. Dies bedeutet nicht nur, dass CO2-Emissionen drastisch reduziert, sondern verbleibende Emissionen der Atmosphäre vollständig und dauerhaft entzogen werden müssen.
Der landwirtschaftliche Sektor verursacht zwischen 17 und 32% der globalen anthropogenen Treibhausgasemissionen. Gleichzeitig kommt es aufgrund veränderter klimatischer Bedingungen immer häufiger zu Ernteausfällen. Eine Untersuchung amerikanischer Forscher hat gezeigt, dass die europäische Landwirtschaft mit beträchtlichen Einbussen rechnen muss. Steigt die durchschnittliche Sommertemperatur um 3°C, treten vermehrt Hitzesommer wie im Jahr 2003 ein. Damals reduzierten sich die Ernteerträge von Früchten und Getreide in Europa um bis zu 36%. Somit hat die Landwirtschaft ein besonderes Interesse daran, die durch sie verursachten Emissionen zu reduzieren und damit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Klimabilanz der Schweizer Landwirtschaft
Die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen der Schweiz betragen zirka 14% der schweizerischen Gesamtemissionen und somit ungefähr 6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (CO2eq). Methan aus der Nutztierhaltung bildet fast die Hälfte dieser Emissionen. Hinzu kommt Lachgas aus Böden und Hofdüngerlagerung. Der Treibstoffverbrauch von Landmaschinen und die Bearbeitung der Böden verursacht insbesondere CO2-Emissionen. Hauptursachen sind also vor allem die Tierhaltung, (synthetische) Düngemittel und Pestizide sowie Landnutzungsänderungen. Die Emissionen aus dem landwirtschaftlichen Sektor sind zwar zwischen 1990 und 2016 um zirka 10,6% gesunken. Die Abnahme geschah allerdings im Wesentlichen vor 2003 und ist auf den verminderten Einsatz von mineralischen Stickstoffdüngern sowie die Reduktion des Rindviehbestandes zurückzuführen.
Die Schweizer Landwirtschaft unter Druck
Geht man von einer Erwärmung unter 2°C und einer genügenden Nährstoff- und Wasserverfügbarkeit aus, werden in der Schweiz die Futter- und Ackererträge tendenziell steigen. Da die durch den Klimawandel verursachte Erderwärmung hierzulande jedoch stärker steigt als im globalen Mittel, ist schweizweit mit einer Abnahme der mittleren Niederschlagsmenge und der Anzahl der Niederschlagstage während der Vegetationszeit sowie einer Verschiebung der Niederschlagshäufigkeit zu rechnen. Die Schweizer Landwirtschaft wird daher zunehmend von Trockenheit betroffen sein. Bereits 2009 bestand ein Bewässerungsbedarf bei 41% der Ackerflächen und 26% der landwirtschaftlichen Nutzflächen, wie ein Bericht von Agroscope aufzeigt. Durch die zunehmenden Witterungsextreme ist zudem mit Ertragsausfällen zu rechnen. Die höheren Sommertemperaturen können bei den Tieren zu Hitzestress führen, was sich ebenfalls auf die Produktivität auswirkt. Im Allgemeinen kann der Klimawandel zwar einen kurzfristigen positiven Effekt auf die landwirtschaftliche Produktion haben. Langfristig ist jedoch mit Ertragsausfällen zu rechnen.
Möglichkeiten zur Treibhausgasreduktion in der Landwirtschaft
Im Vergleich zu anderen Sektoren wie Energie oder Industrie war die Landwirtschaft bisher kaum Gegenstand ambitionierter Programme zur Reduktion von Treibhausgasen. Der Bundesrat hat in seiner 2021 veröffentlichten Klimastrategie jedoch festgehalten, dass auch das Reduktionspotenzial in der Land- und Ernährungswirtschaft genutzt werden müsse, um das Netto-Null-Ziel spätestens 2050 zu erreichen.
Das Reduktionspotenzial der einzelnen Betriebe ist allerdings verschieden, da ihre Ausstossmengen unterschiedlich sind. Da landwirtschaftliche Emissionen grösstenteils durch die Tierhaltung verursacht werden, liegt das grösste Reduktionspotenzial denn auch in der Optimierung von tierischen Produktionsverfahren. Daneben gibt es Reduktionspotenziale in weiteren Bereichen wie der Bodenbewirtschaftung, dem Düngermanagement sowie der Energienutzung und ‑produktion. Neben der Reduktion ist es ebenfalls notwendig, bereits emittiertes CO2 der Atmosphäre wieder zu entziehen. Sogenannte Negativemissionen können vor allem durch naturbasierte Lösungen erreicht werden. So hat die schonende Bodenbearbeitung und ‑nutzung eine bessere Kohlenstoffbindung des Bodens zur Folge. Durch das Einarbeiten von Ernterückständen auf den Feldern oder die gezielte Ausbringung von Mist und Kompost wird der Humusgehalt aufgebaut, was zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit und besseren CO2-Bindung führt. Weiter kann Biokohle genutzt werden, um Nährstoffhaushalt, Wasserrückhalt und Bodenqualität zu verbessern. Ein eindrückliches Pilotprojekt für den Alpenraum wurde anfangs 2021 vom Kanton Graubünden unter dem Namen «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» lanciert. Während zehn Jahren werden Massnahmen zur Reduktion der Treibhausgase in den Bereichen Tierhaltung, Pflanzenbau und Energie auf ihre Praxistauglichkeit erprobt und Erfahrungswerte zu deren Umsetzbarkeit gewonnen.
Rechtliche Grundlagen
Mit der Ratifizierung der Klimarahmenkonvention im Jahr 1993 und dem Übereinkommen von Paris im Jahre 2017 hat die Schweiz den internationalen Klimaschutzzielen zugestimmt und ist zudem die Verpflichtung eingegangen, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 zu halbieren. Es stellt sich jedoch die Frage, wie diese Ziele im nationalen Recht umgesetzt wurden. Zur Ausarbeitung verschiedener Massnahmen wurde eine Totalrevision des 2013 in Kraft getretenen CO2-Gesetzes angestrebt. Neu sollte auch für die Landwirtschaft ein Sektorziel zur Emissionsreduktion definiert werden. Ausgehend von der Klimastrategie Landwirtschaft sollte das Reduktionsziel bis 2030 bei 22% gegenüber 1990 liegen. Mit der Ablehnung des CO2-Gesetzes am 13. Juni 2021 wurde dieses Sektorziel jedoch nicht übernommen.
Im Landwirtschaftsbereich setzen die verschiedenen Agrarpolitiken die klimapolitischen Ziele auf Gesetzesebene um. Bereits die Agrarpolitik 2014 - 2017 (AP 14-17) wies auf die Relevanz klimapolitischer Massnahmen hin und veranlasste eine Änderung von Art. 75 im Landwirtschaftsgesetz (LwG). Diese Norm ermöglicht seither die Auszahlung von Produktionssystembeiträgen zur Förderung besonders naturnaher, umwelt- und tierfreundlicher Produktionsformen. Darunter fallen auch besonders klimafreundliche Produktionsformen. Diese sollen aber zuerst durch die Eigeninitiative der Akteure etabliert und zu einem späteren Zeitpunkt mit Hilfe von Förderinstrumenten unterstützt werden. Bisher wurden jedoch keine solche Förderinstrumente auf Verordnungsstufe erlassen. Die AP22+ sollte die Agrarpolitik ab 2022 weiterentwickeln und unter anderem die agrarpolitischen Rahmenbedingungen im Bereich Umwelt verbessern. Die Landwirtschaft sollte stärker in die Schweizer Klimapolitik einbezogen werden, indem verschiedene Massnahmen wie zum Beispiel die Weiterentwicklung der Beiträge an nachhaltige Produktionssysteme und des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) vorgeschlagen wurden. An der Frühlingssession 2021 hat das Parlament jedoch beschlossen, die Beratung über die AP22+ zu sistieren, und den Bundesrat mit der Beantwortung des Postulats «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» bis spätestens 2022 beauftragt. Die parlamentarische Diskussion wird damit frühestens im Frühling 2023 weitergeführt.
Somit bestehen in der Schweiz zurzeit keine griffigen rechtlichen Grundlagen, um die internationalen Klimaziele im Landwirtschaftsbereich umzusetzen.
Ausblick
Die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Landwirtschaft sind komplex, und es bestehen viele Unsicherheiten und Zielkonflikte. Aus diesem Grund ist der Ausbau der wissenschaftlichen Grundlagen über Zusammenhänge und Wirkungen von Emissionen und vor allem auch deren Erfassung und Bilanzierung im Bereich der Landwirtschaft entscheidend. Neben den wissenschaftlichen Grundlagen müssen vor allem aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen durch eine Anpassung der Agrarpolitik unter Einbezug der veränderten Klimabedingungen und Klimaziele weiterentwickelt werden. Denn aus rechtlicher Sicht wurde die Landwirtschaft bis anhin nur ungenügend in den Klimaschutz eingebunden – hier gibt es Nachholbedarf.