Goms VS (© M. Volken)

Alpine Solaranlagen – die Umsetzung der «Solaroffensive» durch den Bundesrat

Mit der im Herbst 2022 eilig verabschiedeten und bis Ende 2025 befristeten «Solaroffensive» möchte der Bundesgesetzgeber alpine Gross-Solaranlagen ermöglichen, die zur Deckung der «Winterlücke» bei der Energieversorgung beitragen sollen. Im Auftrag des Urner Instituts Kulturen der Alpen sowie der Stiftung Alpines Energieforschungscenter AlpEnForCe sind die Verordnungsbestimmungen, die der Bundesrat zur Umsetzung der «Solaroffensive» erlassen hat, einer rechtlichen Analyse unterzogen worden.

Diese Analyse hat gezeigt, dass die Verordnungsbestimmungen mehrere nach dem Erlass des neuen Art. 71a EnG verbleibende Rechtsunsicherheiten beseitigen, andererseits jedoch auch neue Hürden schaffen. Teilweise sind diese Hürden bereits im Gesetz selbst angelegt. So lässt es zwar die Planungspflicht, nicht hingegen eine allfällige sogenannte Plangenehmigungspflicht für Anschlussleitungen entfallen. Aufgrund der langen Verfahrensdauern bei Plangenehmigungen könnte sich die Inbetriebnahme vieler Photovoltaik (PV)-Grossanlagen stark verzögern.

Ambitionierte Fristen

Ausserdem sieht das Gesetz eine erhöhte Einmalvergütung in Höhe von bis zu 60 % der Investitionskosten für die PV-Grossanlagen vor, die jedoch nur an Anlagen ausgezahlt wird, die bis Ende 2025 mindestens teilweise Elektrizität einspeisen. Insbesondere im Falle von Einsprachen und Beschwerden sowie aufgrund von plangenehmigungspflichtigen Anschlussleitungen dürfte diese Frist für viele Anlagen kaum einzuhalten sein.


Teilweise schaffen die neuen Verordnungsbestimmungen zusätzliche Hindernisse. Solche ergeben sich insbesondere aus Art. 9e Abs. 2 Energieverordnung (EnV). Das Gesetz selbst sieht vor, dass die PV-Grossanlagen nur durch die neuen Bestimmungen gefördert werden, bis schweizweit insgesamt 2 Terawattstunden (TWh) Elektrizität pro Jahr aus solchen Anlagen erzeugt werden können. Auf Verordnungsebene war daher zu klären, was mit Anlagen geschieht, die sich bei Erreichen der 2 TWh-Schwelle bereits in einem fortgeschrittenen Planungsstatus befinden. Nach Art. 9e Abs. 2 EnV kann von einer Bewilligung nach Art. 71a EnG nur Gebrauch gemacht werden, wenn zum Zeitpunkt der Rechtskraft die 2 TWh-Schwelle durch andere rechtskräftig bewilligte Anlagen noch nicht erreicht ist. Dies führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit für Investoren, deren Vorhaben zwar über eine erstinstanzliche Baubewilligung verfügen, die jedoch noch nicht rechtskräftig ist, weil eine Beschwerde erhoben worden ist. Diesen droht im schlimmsten Fall, dass sie von ihrer Baubewilligung keinen Gebrauch machen können. Es stellt sich auch die Frage, inwiefern dieses Resultat mit Art. 71a Abs. 6 EnG vereinbar ist, der für bereits öffentlich aufgelegte Vorhaben eigentlich Rechtssicherheit gewährleisten soll, indem die neuen Vorschriften weiterhin anwendbar bleiben.

Handlungsoptionen für Gemeinden, Kantone und den Bund

Während die Gemeinden zur Förderung entsprechender Anlagen vor allem die notwendige Zustimmung zügig erteilen können, stehen den Kantonen, die für die Bewilligung zuständig sind, weitergehende Handlungsoptionen offen. So haben die Kantone Bern und Wallis versucht, mittels Ausführungsbestimmungen einen Verfahrensbeschleunigungseffekt zu erzielen. Dazu haben sie unter anderem Zuständigkeiten geklärt und den Instanzenzug gestrafft. Im Kanton Wallis wurden die neuen Vollzugsbestimmungen aufgrund eines Referendumsbegehrens am 10. September 2023 vom Stimmvolk abgelehnt. Darüber hinaus können die Kantone vor allem Solar- und Windenergieanlagen in ihre Richtplanung aufnehmen. Auch wenn der neue Art. 71a EnG für die betreffenden Anlagen gerade keine Grundlage im Richtplan fordert, sollte auch über den begrenzten zeitlichen Horizont dieser Übergangsbestimmung hinaus geplant und das Potenzial der Raumplanung für die Abstimmung der verschiedenen entgegenstehenden Interessen (Klimaschutz durch erneuerbare Energieträger auf der einen, Landschafts- und Biodiversitätsschutz auf der anderen Seite) genutzt werden.


Der Bund könnte vor allem durch Verlängerung der Frist für die teilweise Einspeisung, die für die Einmalvergütung eingehalten werden muss und aktuell lediglich bis Ende 2025 läuft, verhindern, dass der Solarexpress hinter den Erwartungen zurückbleibt. Über die Solar-Grossanlagen hinaus hat der Bundesrat zudem einen Botschaftsentwurf für einen «Beschleunigungserlass» veröffentlicht, der die Verfahren für bestimmte Vorhaben zur Nutzung der Wind- und Wasserkraft sowie der Solarenergie erleichtern soll. Hiermit liesse sich vor allem sicherstellen, dass die Vorgaben für diese drei Energieträger nicht zu stark voneinander abweichen.

Akzeptanz bleibt entscheidend

Insgesamt zeigt sich, dass die «Solaroffensive» noch auf Schwierigkeiten stossen dürfte. Dabei stand der Bundesrat auch vor der schwierigen Aufgabe, ein eilig erlassenes Gesetz, das aufgrund des dringlichen Gesetzgebungsverfahrens nicht sämtliche rechtlichen Fragestellungen ausreichend adressieren konnte, praxistauglich umzusetzen. Die skizzierten Handlungsoptionen auf Seiten der Gemeinden, Kantone und des Bundes könnten jedoch dazu beitragen, die Erfolgschancen der neuen Bestimmungen zu erhöhen. Letztlich wird jedoch – wie das Walliser Referendum zeigt – auch die Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend sein, die sich bislang mit so enormen Bauwerken wie Staumauern für die Grosswasserkraft anfreunden konnte, neueren Technologien wie der Windenergie und der Freiflächen-Photovoltaik aber teilweise noch skeptisch gegenübersteht.

Herbert Bühl, Auswirkungen der Änderungen des Energiegesetzes (EnG) vom 30. September 2022 auf die Solarstromerzeugung und alpine Landschaften, URP 2023, 260 ff.

Arnold Marti, Energiewende und Versorgungssicherheit: Wie weiter mit dem Bau von Energieanlagen und der Umwelt?, URP 2023, 249 ff.

Markus Schreiber, Die Nutzung des Alpenraums zur nachhaltigen Stromerzeugung, Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht (ZBl) 123/2022, 515 ff.

Oliver Streiff (Hrsg.), Raumplanung und Photovoltaik, Zürich/St. Gallen 2021.

Oliver Streiff/Renata Trajkova/Andreas Abegg, Zur Standortgebundenheit von Solaranlagen ausser-halb der Bauzonen – Eine kritische Würdigung des neuen Art. 32c RPV, Jusletter 26. September 2022.

David Vonplon, Rechtsprofessor zur «Lex Bodenmann»: «Alpine Solaranlagen erhalten einen Freipass – und das ist keine gute Idee», NZZ Online vom 01.09.2022.