Maderanertal UR (© M. Volken)

Isenthal UR (© M. Volken)

Maderanertal UR (© M. Volken)

Maderanertal UR (© M. Volken)

Die Bäuerinnenschule in Gurtnellen – umkämpft und nach 20 Jahren wiedereröffnet

Kurz vor dem 50-jährigen Bestehen musste im Jahre 1996 die einzige Ausbildungsstätte für Bäuerinnen im Kanton Uri geschlossen werden. Sinkende Schülerinnenzahlen und der Rückzug der Ordensschwestern ins Kloster waren damals die Hauptgründe. 2016 wurde die Bäuerinnenschule wiedereröffnet – und geniesst heute schweizweite Ausstrahlung.

«Bildung ist die mächtigste Waffe, die man einsetzen kann, um die Welt zu verändern»: Dieses Zitat von Nelson Mandela beschreibt die Wichtigkeit und die Bedeutung der Bildung in jedem Alter, in allen Lebenslagen und in allen Bereichen. Im Jahr 2013 wurde die Wiedereröffnung der Ausbildungsstätte für Bäuerinnen mit einer parlamentarischen Empfehlung im Kantonsparlament gefordert. Die Gebäulichkeiten der ehemaligen Bergheimatschule Gurtnellen befinden sich im Eigentum des Kantons. Der Regierungsrat empfahl dem Landrat, diese parlamentarische Empfehlung nicht zu überweisen mit der Begründung, dass es für die Urnerinnen und Urner genügend Möglichkeiten gebe, an anderen Bildungszentren ihre Modulabschlüsse zu erlangen. Das Kantonsparlament folgte jedoch nicht der Meinung des Regierungsrates. Damit wurde der Weg frei, dass im Jahre 2016 wiederum der erste Vollzeitkurs mit Internat in Gurtnellen angeboten werden konnte.

Die Ausbildung zur Bäuerin mit Fachausweis

Die Ausbildung und der Abschluss zur «Bäuerin mit Fachausweis / bäuerlicher Haushaltleiter mit Fachausweis» haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Sie bringen das Rüstzeug für die partnerschaftliche Betriebsführung mit sich und erleichtern die Selbstständigkeitserklärung. Dieses Angebot der Ausbildung ist im Kanton Uri und in der ganzen Schweiz für viele, zum Teil klein strukturierte Betriebe, von zentraler Bedeutung. Die Bergheimatschule Gurtnellen ist eines der Bildungszentren für Haus- und Landwirtschaft und bietet die haus- und betriebswirtschaftlichen Module an, welche der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) in Zusammenarbeit mit den Schulen erarbeitet hat. Diese Module können je nach Schule einzeln, berufsbegleitend oder als Vollzeit-Lehrgang besucht werden. Für die Berufsprüfung benötigt es den Abschluss von neun Pflicht- und zwei Wahlmodulen. An der Bergheimatschule Gurtnellen werden Wahlmodule wie textiles Gestalten, willkommen auf dem Bauernhof – Grundlage und Direktvermarktung, Einführung in die Rindviehhaltung oder Gesundheit und Soziales angeboten – diese können jederzeit auch von externen Interessierten besucht werden.


Der Beruf als Bäuerin wird nicht als Grundbildung angeboten. Als Grundlage für die Berufsabschlüsse zur «Bäuerin mit Fachausweis / bäuerlicher Haushaltleiter» wird die Grundbildung eines beliebigen Berufes (eidg. Fähigkeitszeugnis oder gleichwertiger Abschluss) vorausgesetzt. Aus diesem Grund erklärt sich, dass die Teilnehmerinnen mindestens 18 Jahre alt sind, nach oben das Alter aber nicht begrenzt ist.

Die Bäuerinnenschule Gurtnellen

Eine Besonderheit der Bäuerinnenschule Gurtnellen sind die Angebote der Ateliers, die am Abend stattfinden und freiwillig sind. Die Palette reicht von Stricken, Trachtenstickerei, Weben, Jodeln und Gesang, über Homöopathie, Anwendung von Schüsslersalzen, Wildkräuter kennenlernen und in der Küche anwenden oder Yoga. In einem Vollzeitkurs werden neben der Sachkompetenz auch Selbst- und Sozialkompetenz gelernt und angewendet. Der Austausch unter den jungen Frauen ist dabei enorm wichtig. Hier treffen sich Frauen mit landwirtschaftlichem und nichtlandwirtschaftlichem Hintergrund, aus ländlichen und urbanen Gegenden, Konsumentinnen und Produzentinnen. Das Modul zur landwirtschaftlichen Betriebslehre vermittelt im Besonderen solche Kompetenzen, die das Interesse an der Agrarpolitik fördern und Argumente für Diskussionen innerhalb der Klassengemeinschaft und auch in der Bevölkerung liefern.


Am 4. Januar 2023 starteten 16 junge Frauen aus sieben Kantonen ihre Ausbildung in Gurtnellen. Nach dem wiedererfolgten Start im Jahre 2016 ist dies bereits der achte Vollzeitkurs. Der Kurs 2024 ist bereits ausgebucht und für das Jahr 2025 sind erste Anmeldungen eingegangen. Wie gross die Akzeptanz der Bäuerinnenschule Gurtnellen in der Öffentlichkeit ist, zeigt sich jeweils am Tag der offenen Tür. Erfahrungen zeigen, dass bis zu 700 Interessierte mit ihrem Besuch die Arbeiten der Schülerinnen und auch die Ausbildung wertschätzen. Der Kanton Uri hat mit der Bäuerinnenschule eine weitere sehr erfolgreiche Ausbildungsstätte realisiert, die eine schweizweite Ausstrahlung vorweist.

Meine Erfahrungen als Lehrperson

Seit acht Jahren darf ich als Lehrperson die jungen Frauen begleiten und sie unterrichten. Jede Frau bringt einen Rucksack mit eigenem Berufsabschluss und vielen Lebenserfahrungen mit. Jede hat das Ziel, die Zeit der Ausbildung bestmöglich zu nutzen. Schliesslich ist der Besuch der Schule mit grossen Kosten verbunden, und der Verdienst fällt in dieser Zeit gänzlich weg. Das fordert uns Lehrpersonen stark, sind wir doch gewillt, die Erwartungen der Auszubildenden an uns Ausbildende zu erfüllen. Die Anpassungen der jeweiligen Modulbeschriebe müssen umgesetzt werden. Dies braucht die Auseinandersetzung mit neuen Techniken, Lehrmitteln, Geräten, Materialien und auch Verfahren. Als Lehrperson darf ich enorm viel profitieren, einerseits von den Ausbildungen selbst, anderseits von den Erfahrungen der Teilnehmenden. Das schönste Erlebnis ist dabei immer wieder, zu sehen, wie die jungen Frauen während der gemeinsamen Zeit Selbstvertrauen gewinnen, sich an neue Herausforderungen wagen, diese annehmen und dabei von ihren Kolleginnen unterstützt werden.


Fast 150 junge Frauen haben seit 2016 an der Bergheimatschule Gurtnellen die Pflicht- und Wahlmodule für die Schlussprüfung Bäuerin mit Fachausweis besucht. Der gegenseitige Respekt der landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung, die Auseinandersetzung mit der Herstellung landwirtschaftlicher Produkte pflanzlicher und tierischer Herkunft, aber auch das Verständnis für die Konsument:innen werden erfahren. Die erfolgreichen Absolventinnen haben mit ihrem Wissen, ihrem Können und ihren Erfahrungen ihren Platz im Arbeitsalltag gefunden, übernehmen Verantwortung und können, jede an ihrem Ort, die Welt verändern – so, wie es «Bildung als mächtigste Waffe» ermöglicht.

Um die schulischen Voraussetzungen für die Schlussprüfung Bäuerin / bäuerlicher Haushaltleiter (Berufsprüfung) zu erfüllen, braucht es 9 Pflicht- und 2 Wahlmodule. Pflichtmodule sind: Reinigungstechnik und Textilpflege, Haushaltführung, Familie und Gesellschaft, Gartenbau, Ernährung und Verpflegung, Produkteverarbeitung, landwirtschaftliches Recht, landwirtschaftliche Buchhaltung, landwirtschaftliche Betriebslehre. Folgende Wahlmodule werden an der Bergheimatschule Gurtnellen angeboten: Willkommen auf dem Bauernhof: Grundlage und Direktvermarktung, Textiles Gestalten, Einführung in die Rindviehhaltung, Kleintierhaltung, Gesundheit und Soziales.

Gemäss Homepage der «Landfrauen» wird das Berufsbild der heutigen Bäuerin wie folgt beschrieben: «Die Bäuerin ist fähig, den bäuerlichen Haushalt mit angegliederten Bereichen nach wirtschaftlichen und modernen Gesichtspunkten zu organisieren und auf Mitbewohner und Gäste einzugehen. Sie hat ein umfassendes Wissen über Produktion, Verarbeitung und Verwendung von Nahrungsmitteln und ist fähig, dieses auch zu vermitteln. Sie kann partnerschaftlich an der Betriebsführung des Landwirtschaftsbetriebes mitwirken sowie eigene Betriebszweige führen. Sie ist oftmals Nahtstelle zwischen Produzentin und Konsumentin. Die Bäuerin mit Fachausweis / der bäuerliche Haushaltleiter kann Direktzahlungen und Investitionskredite beziehen, falls sie / er den Betrieb führt.»