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Bauwirtschaft mit Wachstumsgrenzen konfrontiert

Der Bauwirtschaft – einem wichtigen Wirtschaftssektor in den Alpen – sind Wachstumsgrenzen ökologischer und ökonomischer Art gesetzt. Kleine Baubetriebe sind bereits heute teilweise wachstumsunabhängig und dürften mit solchen Grenzen jedoch zurechtkommen. Eine Erhebung zeigt ihre Situation und ihr Potenzial für die anstehenden Veränderungen der Bauwirtschaft in den Alpen.

In der Schweiz wie in vergleichbaren Ökonomien ist die Bauwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftssektor. Sie beschäftigt 8% der Arbeitskräfte und trägt mit ihrer Wertschöpfung 10% zum Bruttoinlandsprodukt bei, wobei die Wertschöpfung in den Bergkantonen überdurchschnittlich ist und bis zu 27% betragen kann, wie Stucki und Maniera (2020) zeigen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Bauwirtschaft konstant entlang des BIP-Wachstums entwickelt – und ist zwischen den 1960ern und späten 1990ern sogar stärker gewachsen als das BIP. Dieser Sektor ist somit an ein ständiges und teilweise gar überdurchschnittliches Wachstum gewohnt.

Verschiedene Wachstumsgrenzen

Doch die Bauwirtschaft ist mit Grenzen des Wachstums konfrontiert. Sie sind ökologischer wie ökonomischer Art. Zentral ist das immer knapper werdende Bauland: Der Zugriff auf verfügbare Landwirtschaftsflächen wird zunehmend schwieriger, einerseits wegen des Schutzes von Fruchtfolgeflächen, andererseits, weil Umzonungen planungsrechtlich stark reglementiert sind. Hinzu kommen die Begrenzung des Zweitwohnungsanteils pro Gemeinde durch die von Volk und Ständen 2012 angenommene Volksinitiative, öffentlicher Widerstand gegen weiteren Abbau von Kies und Ausscheidung von Deponieraum sowie die sinkenden Wachstumsraten der Gesamtwirtschaft. Ausserdem begrenzen das Ende der zinsgünstigen Hypothekarkredite der 2010er Jahre und die zunehmend fehlenden Arbeitskräfte in der Bauwirtschaft, insbesondere junger Arbeitskräfte, die Wachstumsmöglichkeiten. Hinzu kommt eine ausschliesslich ökologische Begrenzung, die sich immer deutlicher abzeichnet: Aufgrund der Verpflichtung der Schweiz für das Pariser Klimaabkommen müssen die CO2-Emissionen bis spätestens 2050 auf Netto-Null sinken. Doch die Bauwirtschaft verursacht einen Viertel der Schweizer CO2-Emissionen, wie das BAFU (2022) feststellt.


Entsprechend ist die Bauwirtschaft gefordert, sich umzuorientieren, in der Renovation und Sanierung des Schweizer Gebäudeparks ein zentrales künftiges Geschäftsfeld zu erkennen und dieses auszubauen. Seitens der Wissenschaft wird zunehmend gefordert, den Bau neuer Gebäude so weit wie möglich zu reduzieren und stattdessen auf Renovierung, Umbau und Erweiterung zu setzen, wie der Bericht von EASAC (2021) zeigt. Auch die Verwendung CO2-neutraler Materialien wie Holz, recycliertem Beton und Kalk steht an. Entsprechend gross sind die Erwartungen der Politik, dass sich die Bauwirtschaft neu ausrichtet. Diesen Erwartungen zeigt sich die Schweizer Bauwirtschaft in ihrer neuen Agenda (SBV 2022) bewusst.

Kleine Baubetriebe im Berggebiet sind bereits wachstumsunabhängig

Die Entwicklungen und Erwartungen zeigen, dass das bisherige Wachstumsmodell in der Bauwirtschaft ausgedient hat. Was bedeutet das für die Bauwirtschaft in den Alpen? Sind Betriebe vom bisherigen Wirtschaftswachstum abhängig? In diesem Falle könnten rückläufige oder gar schrumpfende Wachstumsraten solche Betriebe in Probleme stürzen.


In der Öffentlichkeit und auch in der Betriebswirtschaftslehre herrscht die Vorstellung vor, jedes Unternehmen wolle und müsse wachsen, sonst könne es nicht fortbestehen. Gleichzeitig gibt es eine jüngere Forschung, die beobachtet und feststellt, dass Unternehmen nicht zwangsläufig wachstumsorientiert sind. So beobachten Gebauer und Sagebiel (2015), dass Unternehmen stärker auf Wachstum ausgerichtet sind, je jünger sie sind, je grösser ihre Zahl an Mitarbeitenden ist und je mehr externes Kapital sie aufgenommen haben – und ausserdem, je mehr sie auf schnell wachsendenden oder auf schrumpfenden, vor allem international ausgerichteten Märkten tätig sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass ein Unternehmen, das diese Merkmale nicht erfüllt, nicht wachstumsorientiert ist und mit einer stabilen oder gar schrumpfenden Situation gut klarkommt.


Im Rahmen eines Forschungsprojekts des Schweizerischen Nationalfonds wurden 21 Unternehmer kleiner Betriebe des Ausbaugewerbes im Berner Oberland, konkret des Verwaltungskreises Interlaken-Oberhasli, befragt. Davon beschrieben 12 Unternehmer ihre ökonomische Situation als gut oder sehr gut; gleichzeitig wachsen ihre Betriebe nicht und sie haben auch keine Wachstumsabsichten. Sie wenden verschiedene Strategien an, um nicht wachsen zu müssen und gleichzeitig ökonomisch gut durchzukommen: Sie suchen sich erstens wenig wettbewerbsintensive Nischen – unter anderem Aufträge von Privatpersonen, die in der Regel profitabel sind. Dadurch erhalten sie oft Aufgaben, die hohes handwerkliches Geschick erfordern. Zweitens halten sie sich auf dem aktuellen technischen Stand und nehmen kaum externes Kapital auf. So können sie neue Nachfragen bedienen und haben keinen hohen Schuldendienst zu erbringen, der sie zu Wachstum zwingen könnte. Die befragten Unternehmen arbeiten drittens mit anderen kleinen Betrieben zusammen, um flexibel zu bleiben, Kosten zu reduzieren und gemeinsam einkaufen zu können. So können sie auch mal einen Auftrag entgegennehmen, der die eigene Kapazität übersteigt, oder Mitarbeitende an andere Betriebe «ausleihen», wenn die Arbeit knapp ist. Und viertens bleiben sie klein und schrumpfen vielleicht sogar, um nicht unter Druck zu kommen, defizitäre Aufträge annehmen zu müssen, wovon es in der Bauwirtschaft viele gibt. Durch diese Grössenbegrenzung laufen die Unternehmen weniger Gefahr, dass ihnen Arbeit für ihre Mitarbeitenden fehlt oder Maschinen unausgelastet bleiben und sie folglich auf defizitäre Aufträge angewiesen wären.

Das Potenzial kleiner Unternehmen im Berggebiet

Auch wenn unsere Untersuchung nur eine kleine Anzahl von Unternehmen erfasst hat, so bestätigt sie Literatur, die aufzeigt, dass Unternehmen durchaus wachstumsunabhängig sein können (z.B. Bakker et al. 1999; Gebauer et al. 2015; Gebauer / Sagebiel 2015). Während Studien dies oft für alternative Betriebe bestätigen, können wir zeigen, dass Wachstumsunabhängigkeit auch bei konventionellen, kleinen Unternehmen der Bauwirtschaft möglich und durchaus anzutreffen ist.


Der Bauwirtschaft steht eine grosse Transformation bevor: Sie muss mit weniger Wachstum klarkommen, den Energie- und Ressourcenverbrauch deutlich reduzieren, auf andere Baumaterialien wechseln und sich auf energetische Sanierung, Renovation und Umbau ausrichten. Kleine Unternehmen in den Alpen sind für diese Transformation durchaus gerüstet, wie unsere Forschungsergebnisse folgern lassen. Diese Unternehmen waren schon bisher wachstumsunabhängig dank Nischenfokussierung, Flexibilität und Kooperation, so dass sie ausbleibendes Wachstum, stagnierendes Auftragsvolumen und neue handwerkliche Herausforderungen kaum irritieren dürften. Damit sind sie gerüstet für eine Transformation hin zu einem klimaneutralen Bau mit einem allenfalls stagnierenden, schrumpfenden und in jedem Fall sich veränderndem Tätigkeitsfeld, in dem sie neuen Nischen finden dürften.


Die Interviews im Berner Oberland hat Andrea Winiger geführt. Sie hat auf dieser Basis auch die Strategien dieser Unternehmen identifiziert.

Die Bauwirtschaft verursacht einen Viertel der Schweizer CO2-Emissionen und ihr sind ökologische und ökonomische Wachstumsgrenzen gesetzt.


Die Bauwirtschaft in den Bergkantonen trägt je nach Kanton 10% bis zu 27% zum Bruttoinlandsprodukt bei.


Vom Wachstum unabhängig ist ein Teil der Kleinbetriebe der Bauwirtschaft in den Alpen – dank Nischenfokussierung, Flexibilität und Kooperation.

Die Bauwirtschaft der Zukunft wird mit deutlich weniger Wachstum im Neubau klarkommen müssen und sich stattdessen auf energetische Sanierung, Renovation und Umbau konzentrieren.


Mehr Informationen zum SNF-Forschungsprojekt zu Sozialen Innovationen im Schweizer Berggebiet finden sich hier.

Bakker, Liesbeth / Loske, Reinhard / Scherhorn, Gerhard (1999): Wirtschaft ohne Wachstumsstreben – Chaos oder Chance? Berlin.

Bundesamt für Energie BFE (2022): Gebäudepark 2050 – Vision des BFE. Sektion Gebäude. Bern.

Bundesamt für Umwelt BAFU (2022): Kenngrössen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen in der Schweiz 1990-2020. Bern.

EASAC (European Academies Science Advisory Council)ce for the Benefit of Europe EASAC / Leopoldina (Hrsg. (2021): Decarbonisation of Buildings: for Climate, Health and Jobs. In: EASAC Policy Report 43. Halle (Saale).

Gebauer, Jana / Mewes, Heike / Dietsche, Christian (2015): Wir sind so frei. Elf Unternehmen lösen sich vom Wachstumspfad. Institut für ökologische Wirtschaftsforschung IÖW. Berlin.

Gebauer, Jana / Sagebiel, Julian (2015): Wie wichtig ist Wachstum für KMU? Ergebnisse einer Befragung von kleinen und mittleren Unternehmen. Diskussionspapier des IÖW 67/15. Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung. Berlin.

SBV Schweizerischer Baumeisterverband SBV (2022): Agenda 125.0 – Beitrag der Bauwirtschaft zum Erfolgsmodell Schweiz. Zürich.

Stucki, Luana / Maniera, Martin (2020): Wir gestalten die Zukunft. Zahlen und Fakten 2020. Schweizerischer Baumeisterverband, Zürich, 12-15.