Kurt Schuler, Korporation Uri (© M. Volken)

Sidenplangg: Das erfolgreiche Urner Solarexpress-Projekt – INTERVIEW MIT…

In Spiringen entsteht zurzeit die erste alpine Photovoltaikanlage der Zentralschweiz: An der Sidenplangg sollen durch «energieUri» jährlich 12.5 Gigawattstunden erneuerbare Energie produziert werden – rund 45 Prozent davon in den Wintermonaten. Ein Gespräch mit Kurt Schuler über Chancen und Herausforderungen alpiner Solaranlagen. Von Elena Arnold.

(Elena Arnold): Herr Schuler, Sie sind seit vielen Jahren Mitglied des engeren Rats der Korporation Uri und seit 2021 deren Präsident. Können Sie sich daran erinnern, wann die alpinen Freiflächen-PV-Anlagen erstmals in der Korporation thematisiert wurden?

 

(Kurt Schuler): Die Korporation Uri diskutierte bereits 2013 im Zusammenhang mit dem Schutz- und Nutzungskonzept für Erneuerbare Energien (SNEE) das Potenzial von hochalpinen Solaranlagen. Damals sah sich der Kanton Uri aufgrund der vom Bund eingeführten kostendeckenden Einspeisevergütung und dem damit verbundenen Ausbau der Wasserkraft gezwungen, Schutz- und Nutzungszonen zu definieren. Dabei wurde beschlossen, dass auf Urner Boden keine freistehenden alpinen Solaranlagen gebaut werden dürfen. Der Korporation Uri gelang es aber eine entscheidende Ausnahmeregelung einzuführen: Sollte sich die staatspolitische Ausgangslage ändern, dürfen solche Photovoltaikanlagen trotz des SNEE-Vertrags realisiert werden. Und siehe da: Ein knappes Jahrzehnt später haben wir mit dem Solarexpress tatsächlich eine nationale Nachfrage nach Solaranlagen in den Alpen.

 

Die Korporation Uri hat bereits grosse Erfahrung mit erneuerbaren Energieträgern, insbesondere der Wasserkraft. Warum ist eine Diversifizierung mit neuen Erneuerbaren, mit Wind und Sonne, für die Korporation wichtig? 

 

Mit dem Entscheid des Bundesrates zum schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie wurde klar, dass eine Diversifizierung im Bereich der erneuerbaren Energien unumgänglich ist. Dies gilt auch für die Korporation Uri: Obwohl der Kanton Uri für Wasserkraft prädestiniert ist und wir in diesem Bereich auch eine Vorreiterrolle einnehmen, benötigen wir für die Erreichung des Netto-Null-Ziels auch Wind- und Solaranlagen. Denn es steht fest, dass wir beim jetzigen, noch immer steigenden Energieverbrauch für die zusätzliche Elektrifizierung der Gebäudeheizung und -kühlung, aber auch der E-Mobilität und der industriellen Prozesse auf jede CO2-freie Produktion angewiesen sind. Alle – Bund, Kantone, Gemeinden, Elektrizitätswerke sowie Stakeholder – müssen sich dieser Tatsache stellen und Verantwortung übernehmen. Die Korporation Uri tut dies mit dem Projekt Sidenplangg.

Kommen wir nun auf das Projekt «Alpine Photovoltaikanlage Sidenplangg» zu sprechen: Welche Faktoren waren für die Wahl des Standorts entscheidend?

 

Nach der Verabschiedung des Solarexpress im Herbst 2022 begannen wir, zusammen mit energieUri, nach einem geeigneten Standort für eine hochalpine Solaranlage auf Korporationsgebiet zu suchen. Im Fokus stand dabei das Schächental, das aufgrund seiner Ost-West-Ausrichtung und der damit verbundenen Sonneneinstrahlung für eine PV-Anlage geradezu prädestiniert ist. Schnell wurde klar, dass vor allem der Standort Sidenplangg in der Gemeinde Spiringen viele Vorteile bietet. So ist das Gebiet nicht nur durch eine Strasse erschlossen, sondern die nahe gelegene Trafostation Ratzi ermöglicht auch einen optimalen Stromabtransport. Weiter spricht die Tatsache, dass die Sidenplangg als sogenannte Heimkuhweide eher knapp bestossen war, für den Standort – keine bäuerliche Existenz wurde gefährdet. 

Am 18. August 2024 wurde die Solaranlage von der Spiringer Bevölkerung mit rund 69 Prozent deutlich angenommen. Wo mussten Sie die grösste Überzeugungsarbeit leisten?

 

Eine offene und transparente Kommunikation mit allen am Prozess Beteiligten und Betroffenen ist für den Erfolg der meisten hochalpinen Solaranlagen ausschlaggebend – ebenso im Fall Sidenplangg. Trotz der hohen Energiegestehungskosten der alpinen Solaranlage mussten wir bei energieUri keine Überzeugungsarbeit leisten, denn eine alpine PV-Anlage bedeutet eine neue Dienstleistung und zusätzliche Arbeitsplätze. Mehr Überzeugungsarbeit musste jedoch bei der Bevölkerung in Spiringen geleistet werden. Viele standen dem Projekt kritisch gegenüber, da eine alpine Solaranlage in der Regel mit einem Eingriff in die Natur verbunden ist. Am Standort Sidenplangg kam uns jedoch zugute, dass das Landschaftsbild durch die bestehenden Lawinenverbauungen bereits geprägt ist. Diese Tatsache hatte sicherlich einen positiven Einfluss auf das Abstimmungsresultat. Und last, but not least, musste die erstaunlicherweise grösste Überzeugungsarbeit im eigenen Haus – im Korporationsrat – geleistet werden. Doch mit dem nötigen Willen, Durchhaltevermögen und Fleiss kann ein derartiges Projekt gelingen. 

(© M. Volken)

Die Anlage auf der Sidenplangg leistet mit seinen 12.5 Gigawattstunden gerade einmal ein halbes Prozent an die Gesamtmenge an Jahresenergie, welche die Schweiz bis 2030 an alpinem Photovoltaik-Strom dringend für die Schliessung der Winterlücke benötigt. Inwiefern handelt es sich bei der Sidenplangg um einen Pilot? Welche Zielgrösse verfolgt die Korporation Uri insgesamt? Sind weitere Projekte in der Pipeline?

 

Nein, es sind keine weiteren Projekte geplant. Mit den 12.5 Gigawattstunden, die die Solaranlage Sidenplangg produziert, können über 2'800 Haushalte mit Strom versorgt werden – eine beachtliche Anzahl für Urner Verhältnisse. Zugegeben, das halbe Prozent ist kein wahnsinnig grosser Beitrag an die durch alpinen Photovoltaik-Strom benötigte Gesamtmenge an Jahresenergie, aber, und das ist der springende Punkt, es ist ein Beitrag. Anders gerechnet: Es wird lediglich 200-Mal eine Anlage wie die Sidenplangg benötigt, um unseren Bedarf zu decken. Ich hoffe jedenfalls, dass wir das erreichen können, wenn alle ihre Hausaufgaben in Sachen Energieversorgung machen – so wie die Urner:innen. Zudem haben viele kleinere Projekte im Gegensatz zu vereinzelten Gigaprojekten auch eine grössere Chance, tatsächlich umgesetzt zu werden, da keine komplette Inanspruchnahme der Landschaft droht. In der Landwirtschaft heisst das passende Sprichwort dazu: «Auch Kleinvieh macht Mist».

Wie inzwischen Studien belegen, befördern Anteile und festgelegte finanzielle Rückflüsse zur lokalen Bevölkerung die Unterstützung von Energieanlagen vor Ort. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht? 

 

Die Korporation Uri erwirtschaftet mit der Solaranlage Sidenplangg jährlich zwischen 50'000 bis maximal 100'000 Franken. Dieses Geld bleibt allerdings nicht bei der Korporation, sondern fliesst in irgendeiner Art und Weise wieder zurück zur Bevölkerung. So gibt die Korporation beispielsweise jährlich 200'000 Franken für sogenannte Schwendarbeiten aus. Konkret bedeutet das, dass wir die Bewirtschaftenden vor Ort unterstützen, die Landschaft offenzuhalten. Wir setzen uns gezielt für Massnahmen gegen die Vergandung und Verbuschung und für die Biodiversität ein – und dies nicht erst seit der Diskussion um Landschaftsqualität. Die Allmendnutzung, sprich die gemeinsame und nachhaltige Nutzung unseres Landes, ist der Grundgedanke der Korporation Uri.  

 

Kurt Schuler, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Kurt Schuler, Korporation Uri (© M. Volken)

Der Kanton Uri verfügt über zwei Korporationen – Uri und Ursern. Diese zwei öffentlich-rechtlichen Körperschaften verwalten und pflegen das Urner Alpwesen sowie einen Grossteil der Berge, Wälder und Gewässer. Die Korporationsgebiete werden von der Bevölkerung als Naherholungsgebiete geschätzt und rege genutzt. Konkret leisten die Korporationen Beiträge an Alp- und Bodenverbesserungen, Strassen und Wege, Aufforstungen, Seilbahnen, Lawinenverbauungen, Wasser- und Stromversorgungen sowie an weitere kulturelle, soziale, sportliche und wissenschaftliche Projekte. 

Die Korporation Uri arbeitet bezüglich erneuerbare Energien und nachhaltige Elektrizitätsversorgung eng mit der «energieUri»-AG zusammen.  Der Urner Energiedienstleister produziert seit 1895 Strom im und für den Kanton. Dabei setzt er auf eine diversifizierte Strategie und betreibt Wind-, Wasser- und Photovoltaikkraftwerke. Mit dem Projekt «Alpine Photovoltaikanlage Sidenplangg» lanciert energieUri die erste alpine Solaranlage der Zentralschweiz.

energieUri AG: Geschichte. In: energieuri.ch. Online.

energieUri AG: Deutliches Ja zum Urner Solarexpress-Projekt. In: energieuri.ch, 18.8.2024. Online.

Korporation Uri: Die beiden Korporationen. In: urneralpen.ch, ohne Datum. Online.

Korporation Uri: Porträt. In: korporation.ch, ohne Datum. Online.

Korporation Ursern: Porträt. In korporation-ursern.ch, ohne Datum. Online.