Comologno TI (© M. Volken)

Zu viel oder zu wenig Solarstrom? Netzintegration als Lösung

Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) sind die einzige Kraftwerkstechnologie, die in der Schweiz gesellschaftlich breit akzeptiert ist und rasch zugebaut werden kann. Ihr Nachteil: Ein nicht beeinflussbares Energieangebot, das unsere Netze zu überlasten droht und nicht jederzeit zur Verfügung steht. Mit einer besseren Netzintegration lässt sich dieses Problem weitgehend lösen.

Ölexportierende Länder verdienen mehr Geld am Erdölverkauf, als dass sie für lokalen Solarstrom bezahlen müssen [1]. Kein Wunder, werden im Mittleren Osten jährlich PV-Anlagen mit der Leistung mehrerer Kernkraftwerke in Betrieb genommen. Gegenüber konventionellen Kraftwerken haben PV-Anlagen aber auch einen grossen Nachteil: Ihre Leistungsspitzen sind im Vergleich zum jährlichen Energieertrag grösser, als diese von den heutigen Verbrauchern aufgenommen werden können. Es besteht also Handlungsbedarf. Besonders akzentuiert ist diese Herausforderung in der Schweiz, denn hier wurde zur Netzintegration der Kernkraftwerke mit Warmwasserboilern und tiefen Nachtstromtarifen eine künstliche Nachfrage nach Bandenergie geschaffen. PV-Anlagen liefern in der Nacht jedoch keinen Strom und können diese künstliche Nachfrage nicht decken. Die Lösung dazu ist offensichtlich: Aus der künstlichen Nachfrage nach Atomstrom eine Nachfrage nach Solarstrom schaffen.

Ideale Voraussetzungen für Solarstrom

Die Schweiz benötigt PV-Anlagen mit einer Leistung von rund 40-50 Gigawatt, um die Mobilität und den Wärmebereich in der Jahresbilanz zu dekarbonisieren und die Energie des jetzigen Kernkraftwerkparks zu substituieren. Diese Leistung überschreitet den maximalen Stromverbrauch der Schweiz um rund Faktor vier. Mit Netzausbau lässt sich dieses Problem jedoch nicht lösen, denn Netze speichern keine Energie, sie transportieren sie nur zeitgleich zur Produktion an einen anderen Ort. Das Problem besteht darin, dass es zu sonnigen Stunden zu viel Strom und folglich keine Abnehmer gibt. Es wäre jedoch falsch, daraus den Schluss zu ziehen, dass wir weniger PV-Anlagen bauen sollen. Solarenergie benötigen wir dringend, insbesondere im Winter und an bewölkten Tagen. Wir sollten entsprechend sogar PV-Anlagen auf Reserve bauen, um Kosten für die benötigte Reserveenergie im Winter zu sparen. Doch was machen wir mit dem schwankenden Angebot an Solarstrom?

Es gibt Lösungen, wie die Berner Fachhochschule neulich in einem Diskussionspapier aufgezeigt hat. In der Schweiz werden PV-Anlagen auf Dächern gebaut ­(im Gegensatz zu vielen anderen Ländern), also da, wo eine starke elektrische Infrastruktur schon vorhanden ist. Das bietet die ideale Möglichkeit, den Grossteil des Solarstroms direkt vor Ort oder in der Region der Erzeugung zu verbrauchen. Ausserdem können auch Warmwasserboiler, Wärmepumpen und künftig auch Ladestationen für Elektroautos so betrieben werden, dass sie vorwiegend lokalen Solarstrom verbrauchen. Nicht zuletzt bilden Wasser-Speicherkraftwerke, insbesondere Pumpspeicherkraftwerke, die optimale Ergänzung zur Solarenergie: Sie sind flexibel und haben ihren Tiefststand im April, also dann, wenn die Photovoltaik auch im Mittelland kurz vor ihrer saisonalen Maximalproduktion steht. Die Schweiz hat damit in mehrfacher Sicht ideale Voraussetzungen, um Solarenergie neben der Wasserkraft als tragende Säule des Energiesystems aufzubauen.

Eigenverbrauch und Lastmanagement

Solarstrom vom eigenen Dach ist meist deutlich günstiger als Strom aus dem Netz, weil für eigenverbrauchten Solarstrom heute weder Netzgebühren noch Abgaben bezahlt werden müssen. Längerfristig ist dieses Tarifmodell jedoch nur gerechtfertigt, wenn mit dem Solarstrom das Netz entlastet, nicht belastet wird. Aktuell ist das meistens der Fall, insofern Solarstrom weitgehend vor Ort verbraucht wird. Doch mit fortschreitendem PV-Zubau und mangelhafter Netzintegration kann das Bild kippen und Solarstrom zum Treiber des Netzausbaus werden.

Damit PV-Anlagen auch in sehr grosser Anzahl nicht zur Belastung der Netze werden, müssen Eigenverbrauchsanlagen nicht nur mit einem Energie-, sondern auch mit einem Lastmanagementsystem ausgerüstet werden. In gleicher Weise gilt dies für die Elektromobilität: Es ist offensichtlich, dass künftig nicht 4 Millionen Elektroautos gleichzeitig schnellgeladen werden können. Denn dazu bräuchten wir rund einen Drittel der gesamten europäischen Kraftwerksleistung.


Photovoltaik-Anlagen mit einem Lastmanagementsystem auszurüsten bedeutet, dass einerseits ein Energiemanagement-System eingebaut werden muss, mit dem der Eigenverbrauch optimiert wird. Zusätzlich muss dieses System aber auch jederzeit die Netzeinspeisung überwachen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Netzbetreiber künftig Anreize schaffen werden, damit die hohen Leistungsspitzen nicht ins Netz eingespeist werden. Das Lastmanagementsystem muss deshalb überwachen, ob solche Leistungsspitzen erzeugt werden. Wenn sie nicht mittels Zuschalten von Verbrauchern reduziert werden können, muss das System kurzzeitig die Leistung der PV-Anlage drosseln. Ein Beispiel ist das Top-40-Produkt der Elektra in Jegenstorf: Wer die Leistungsspitzen seiner PV-Anlage nicht ins Netz einspeist, sondern vor Ort verbraucht, speichert oder auch abregelt, erhält eine um 8% höhere Solarstromvergütung. Leider ist dies eine Ausnahme, zurzeit honoriert kaum ein Netzbetreiber ein solches netzdienliches Verhalten von PV-Anlagen.

Blockschema einer PV-Anlage mit Energie- und Leistungsmanagement. © Christof Bucher

Empfohlene Massnahmen

Für die Umsetzung der Energiestrategie braucht es einen raschen Zubau von PV-Anlagen und eine Umstellung von Heizungen und Fahrzeugen auf effiziente CO2-arme Systeme. Der aktuelle Zubau von rund 1.5 Gigawatt PV-Anlagen pro Jahr muss längerfristig gehalten oder noch etwas gesteigert werden. Damit jedoch möglichst kein Solarstrom verloren geht oder überschüssig produziert wird, müssen PV-Anlagen wie auch flexible Verbraucher mit Regelungssystemen ausgerüstet werden. Ob die Regelungssysteme später vom Netzbetreiber gesteuert, von einem Marktanbieter optimiert oder ganz einfach dezentral betrieben werden, muss dabei noch nicht entschieden werden – wichtig ist, dass die Systeme in der Lage sind, ihre Leistungsflüsse zu kontrollieren. Um solche Regelungssysteme attraktiv zu machen, können Netzbetreiber Vergütungssysteme schaffen, die das netzdienliche Verhalten von PV-Anlagen und Verbrauchern belohnt, wie es das beschriebene Top-40-Produkt tut. Noch besser sind dynamische Tarife und Vergütungen ­– für den Privathaushalt und für Firmen.


Während uns die Bandenergie und der vergünstigte Tarif schmackhaft machten, in der Nacht Strom zu verbrauchen, werden uns künftig die sonnigen Tagesstunden wieder umgewöhnen müssen. Es ist nur sinnvoll, unseren Verbrauch an den vorhandenen natürlichen Ressourcen zu orientieren, statt eine künstliche Nachfrage nach Energie zu schaffen, die nicht erneuerbar ist.

[1] Bei einem Ölpreis von 75 USD je Barrel, also rund 50 Cent pro Liter, kostet die Kilowattstunde Wärme etwa 5 Cent. Bei einem optimalen Wirkungsgrad eines thermischen Kraftwerks von 50% sind die Treibstoffkosten eines thermischen Kraftwerks somit bei 10 Cent pro kWh. Demgegenüber stehen langfristige Solarstrom-Abnahmeverträge von 2-4 Cent pro kWh.

Bucher, Christof (2014): Analysis and Simulation of Distribution Grids with Photovoltaics. Dissertation ETH Zürich.

BKW Energie AG: Auswirkungen der Energiewende auf die Schweizer Verteilnetze. Praxisbasierte Studienergebnisse der BKW inklusive Abgleich mit Ergebnissen der Verteilsnetzstudie des BFE.