Savetal, Slowenien (© M. Volken)

Savetal, Slowenien (© M. Volken)

Von Elektrifizierung und Gewässerschutz: Wasserkraftwerke früher und heute in Slowenien

Das slowenische Dorf Žirovnica ist für sein reiches Naturerbe und seine technischen Denkmäler bekannt – besonders für das erste Landwasserkraftwerk von 1914, welches für die Einheimischen in Kriegsjahren wichtig war. Inzwischen gibt es einige Investoren und Wasserkraftwerke der Save entlang, und die Bevölkerung beginnt sich zu wehren.

Nördlich des Dorfes Žirovnica befindet sich die Završnica-Quelle. Der Bach entspringt in Zelenica unterhalb des Berges Stol, fliesst langsam das Zavrh-Tal hinunter und mündet unterhalb des Dorfes Moste in die Save. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Energiepotenzial des Baches nur für kleinere wirtschaftliche Aktivitäten genutzt, wie den Betrieb von Mühlen, Sägewerken, einer Parkettfabrik, einer Schmiede und einer Spinnerei. Gleichzeitig wurde in Österreich-Ungarn die Frage nach verstärkter Elektrifizierung der Doppelmonarchie zu einem drängenden Thema, das auch in den einzelnen Kronländern Widerhall fand. Im ehemaligen Land Krain führten diese Bemühungen schliesslich zum Bau des Wasserkraftwerks Završnica. Die Anlage befand sich direkt am Fusse des Stols, des mit 2'236 Höhenmeter höchsten Gipfels der Karawanken.

Erbaut in Kriegsjahren

Der Bau des Wasserkraftwerks, das heute als technisches Denkmal ausgewiesen ist, begann im Jahr 1911 und war von einer Reihe «politisch, rechtlich und technisch ungewöhnlich interessanter Momente» begleitet, wie der Chefingenieur Dr. Otto Felix Schossberger betonte. Es wurde nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Februar 1915 fertiggestellt, was dazu führte, dass sogar das k. u. k. Kriegsministerium in den Betrieb involviert war.


Im Mai 1915 erklärte Italien Österreich-Ungarn den Krieg, was zur Eröffnung der Südwestfront, auch Isonzofront genannt, führte. Der westliche Teil von Krain wurde damit als Teil der neuen «Hochgebirgs»-Kampflinie zum Kriegsgebiet. Im krainischen Hinterland des Isonzo-Schlachtfeldes entstand ein umfangreiches Netz von Sanitätsstationen, Krankenhäusern und Rehabilitationszentren sowie ein zunehmend ausdifferenziertes, militarisiertes Wirtschaftssystem. Diese Entwicklungen beeinflussten auch den Betrieb des Wasserkraftwerks Završnica.

Betrieb ohne Konzession

Gemäss dem bestehenden regionalen Wassergesetz für Krain aus dem Jahr 1872 war für den Betrieb von Wasserkraftwerken eine Konzession erforderlich, die von der zuständigen staatlichen Behörde erteilt wurde. Im Dezember 1914 wurde die Konzession für das Wasserkraftwerk Završnica vom Wiener Verwaltungsgerichtshof für ungültig erklärt, da einige Parteien, die an der Nutzung der Wasserkraft der krainischen Gewässern interessiert waren, und einige Inhaber von Wasserrechten an der Save, Einspruch erhoben hatten. Daraufhin wurde beschlossen, das Kraftwerk zu schliessen, da es keine Rechtsgrundlage besass. Dessen ungeachtet wurde das Wasserkraftwerk Završnica jedoch in den Jahren 1914–1918 entgegen den gesetzlichen Bestimmungen «normal» betrieben.

Bereits 1915 wird in der überlieferten Korrespondenz darauf hingewiesen, dass der Stillstand der neuen Wasserkraftinfrastruktur nicht nur die Volkswirtschaft, sondern auch die militärischen Interessen stark beeinträchtigen würde. Zu den Objekten, die Strom aus dem Kraftwerk Završnica benötigten, gehörten unter anderem das Feldspital in Bled (Veldes) und eine der wichtigsten militärischen Einrichtungen, die Elektrodenfabrik in Blejska Dobrava (Kriechenburg). Ende desselben Jahres beantragte das k. u. k. Etappenkommando deshalb auf der Grundlage des Kriegsleistungsgesetzes von 1912 den Weiterbetrieb des Wasserkraftwerkes. «Ein solches Vorgehen braucht sich das kaisertreue, tapfere und opferwillige Krain wahrhaftig nicht bieten zu lassen. Unsere Heldensöhne bluten sicherlich nicht dafür, dass ihren Angehörigen daheim in grösster Not von der k. [u.] k. Staatsverwaltung inzwischen die Beleuchtung und die motorische Arbeitskraft entzogen werden und die Möglichkeit genommen wird, das tägliche Brot für Heer und Volk zu schaffen», hiess es 1917, als neue Einwände gegen den Betrieb des Wasserkraftwerks erhoben wurden und über den weiteren Betrieb des Werks für die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung entschieden wurde.


Die betroffenen Gemeinden widersprachen den Einwänden mit dem Hinweis auf die Kriegssituation. Sie argumentierten, dass die Zivilbevölkerung Strom für die Beleuchtung benötige, da Petroleum knapp war. Ausserdem sei dieser notwendig für den Betrieb von landwirtschaftlichen Maschinen, die bis zu einem gewissen Masse die Arbeitskraft der Wehrpflichtigen ersetzen sollten. Ausserdem wurde darauf hingewiesen, dass das Militär in Ortschaften einquartiert war und daher eine Trennung der Beleuchtung zwischen militärischem und zivilem Bedarf unmöglich war.

Završnica-Stausee. Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. © Gorenjska Museum.

Der Beginn einer Wasserkraftära

Wenn das Wasserkraftwerk Završnica eine breitere Elektrifizierung einläutete, so bedeutete die Zwischenkriegszeit und insbesondere die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg im ausgewählten Gebiet bereits den Beginn einer wachsenden Energienachfrage. Bereits 1952 wurde am Oberlauf der Save, neben dem Wasserkraftwerk Završnica, ein Wasserkraftwerk mit grösserer Kapazität gebaut. Inzwischen ist die Zahl der Staudämme an diesem Teil des längsten slowenischen Flusses auf elf gestiegen, und da der Energiebedarf weiter zunahm, begann man, das Energiepotenzial der Save auch am Unterlauf zu nutzen.


In Slowenien haben sich in den letzten Jahrzehnten vor allem die Holdinggesellschaft Slovenske elektrarne, die Regierung der Republik Slowenien und einzelne Gemeinden für neue Wasserkraftprojekte eingesetzt und diese geplant. Bis 2021 wurden fünf Wasserkraftwerke an der unteren Save gebaut, und die Debatte über ein sechstes Wasserkraftwerk am Unterlauf und den Bau von zehn Anlagen am Mittellauf der Save wird immer noch heftig geführt. All dies wird begleitet von Gerichtsentscheidungen und Ablehnungen, unrechtmässigen Konzessionen und Regierungsmassnahmen, der Einführung neuer Gesetze, von Expertenmeinungen, Beweisen über negative Umweltauswirkungen, Briefen und Klagen.

Ausschluss der Öffentlichkeit

Gegen den Bau kämpfen Nichtregierungsorganisationen (NRO) und Einzelpersonen, die sich in der Gruppe Za Savo («Für die Save») zusammengetan haben. Sie sensibilisieren die Öffentlichkeit und versuchen, diese in die Geschehnisse an der Save einzubeziehen. Der Planungsprozess für die ersten drei Wasserkraftwerke an der mittleren Save geschieht ihnen nach «ungehindert und abseits der Öffentlichkeit», wie in der slowenischen Zeitung «Delo» im Dezember 2023 zu lesen ist. Während im Fall des Wasserkraftwerks Završnica das Etappenkommando in die Rechtsgrundlage für den Betrieb der Anlage eingriff, wird heute nach Ansicht der NRO das Schicksal des Flusses Sava von «Herren in geschlossenen Räumen» entschieden. Die Gesetzgebung wird zugunsten der Investoren geändert und damit die Öffentlichkeit von den Umweltverfahren ausgeschlossen.


Einwände gegen den Betrieb des Wasserkraftwerks Završnica wurden bereits während des Baus erhoben, jedoch hauptsächlich von denjenigen, die die Wasserkraft der Save und ihrer Nebenflüsse für ihren eigenen Bedarf nutzen wollten. Damals standen Einzelpersonen (oft Spekulanten) und Unternehmen an vorderster Front, die das Energiepotenzial des Flusses ausnutzten, ohne in ihren Schriften ausdrücklich auf Umweltfragen einzugehen. Heute konzentrieren sich die Gruppe Za Savo und die angeschlossenen NGOs auf die Flora und Fauna des Flussbettes und deren Veränderung durch den Bau von Wasserkraftwerken und stellen die Fakten und Erkenntnisse von Expert:innen auf Pressekonferenzen, Websites, in Radiosendungen und Podcasts und nicht zuletzt in Filmen der breiten Öffentlichkeit vor.

Und wie weiter?

Im Jahr 2022 kam der Dokumentarfilm «One for the River: The Sava Story» in die slowenischen Kinos, welche die Save als Lebensraum in den Fokus rückt. Der Film folgt einem Team von vier Kajakfahrer:innen, die die gesamten 258 km des Flusses in Slowenien gepaddelt sind, erzählt von ihren Erlebnissen und Herausforderungen und beleuchtet insbesondere die ungewisse Zukunft des Flusses. Zu den Kajakfahrer:innen gehört auch Rok Rozman, ein Biologe, Naturschützer und Gründer der Bewegung Balkan River Defence (die der Gruppe Za Savo angeschlossen ist). Ziel des Filmes war, so erzählt Rozman in einem Interview, den Fluss von verschiedenen Seiten zu zeigen und der Bevölkerung auch eine Möglichkeit zu bieten, mehr über seine Zukunft zu erfahren und mitsprechen zu können. Er sieht die Lösung für Sloweniens Energiezukunft darin, einen Kompromiss zwischen Politiker:innen, Wirtschaftsvertreter:innen und Energieexpert:innen sowie der lokalen Bevölkerung und dem Naturschutz zu finden.

Es sind verschiedene Herausforderungen unserer Gegenwart, die am Fluss Save zusammenfliessen: die Zukunft der Energieproduktion, Fragen der Partizipationsmöglichkeiten, auch Fragen der Macht und des Naturschutzes. Derzeit ist es ungewiss, wie es um die Zukunft dieses Gewässers steht und welche Rolle die Save in der Wasserkraftproduktion spielen wird. Ein Blick in die Vergangenheit und auf die Gegenwart machen deutlich: Ungerechte Verhältnisse mobilisieren und können Einheimische zusammenbringen.

Der Fluss Save verbindet vier Länder und eine Vielzahl an Ökosystemen. Der Dokumentarfilm «One for the River. The Sava Story» beleuchtet Vergangenheit und Zukunft des Flusses.

Die Gruppe «Za Savo» setzt sich für die Partizipation der Bevölkerung ein und geht gegen den Bau von Wasserkraftwerken im mittleren Teil der slowenischen Save vor. Mehr Informationen finden sich auf ihrer Webseite.

Archives of the Republic of Slovenia: SI AS 137 Okrajno glavarstvo Radovljica, 1819–1941 / SI AS 186 Cesarsko-kraljevo kmetijsko ministrstvo, 1885–1918.

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